Gut genug statt perfekt

Wie du aus der Perfektionsfalle kommst

Perfektionismus ist eine Modekrankheit unserer Zeit. Alles immer super erledigen zu wollen, manchmal auch in vorauseilendem Gehorsam, kann auf die Dauer ziemlich stressig sein. Wer sagt uns denn, was bitte perfekt ist?

Wie du überzogenes Anspruchsdenken erkennst und dich davon befreien kannst,

erfährst du in folgendem Blog. 

Das norwegische Parlament hat ein Gesetz verbschiedet wonach retuschierte Fotos in der Werbung und von Influencern als solche gekennzeichnet werden müssen. Damit sollen vor allem Jugendlichen, wieder ein realistisches Bild von Aussehen vermittelt werden und sie vor Essstörungen bewahren. Dieser Beschluss passt in unsere Zeit in der sich zunehmend eine Gegenbewegung zur allseits erwartenden Top Performance breit macht. 

Gib immer und überall das Beste, arbeite an dir, gut ist nur Mittelmaß, gib 110 Prozent, wenn du es zu etwas bringen willst, so lautete das Credo der Wirtschaft. Lautlos und selbstverständlich haben wir es auch in unser Privatleben integriert. Perfekt gestylte Lässigkeit die auf keinen Fall den Eindruck erwecken will perfekt zu sein, aber eben dies ist.

Woran du überzogenes Anspruchsdenken erkennst

Gesunder Perfektionismus ist, wenn wir versuchen eine Sache so gut es geht zu machen, eben sehr gewissenhaft. Freude über ein gelungenes Werk und einfach Spaß an der Sache lassen uns zu Bestform auflaufen. Genauso kann es eine Vision sein, die uns antreibt unser Bestes zu geben.

Überzogenes Anspruchsdenken dagegen ist, wenn dir die Freude an einer Sache verloren geht und du nur noch verbissen darum kämpfst das meistens selbstgesteckte Soll zu erreichen. Damit meine ich nicht kurzfristige Aufgaben auf die man gerade keine Lust hat. 

Wer gibt dir vor wann eine Aufgabe perfekt erledigt ist? Oder bist du es selber der sich hohen Leistungen antreibt? Manchmal stecken Glaubenssätze aus der Kindheit dahinter, bei den wir verinnerlicht haben, dass man nur anerkannt und geliebt wird, wenn man gute Leistungen erbracht hat. Diese unbewusste Überzeugung hinterfragen wir dann auch im Erwachsenenalter nicht, wir nehmen sie als gegeben hin, sie ist ein Teil unseres Wertesystems geworden.

Jeder von uns freut sich über Anerkennung, und Bestätigung, wenn etwas gut gelungen ist. Für den Perfektionisten ist sie existentiell, er definiert sich über seine Leistung. Dahinter steht die irrationale Angst vor Ablehnung, wenn er keine oder nur eine vermeintlich unzureichende Leistung bringt. Zwischen Beruf und Privatleben kann er nicht trennen.

Jede auch noch so kleine Anforderung wird zum absoluten MUSS erklärt, jede Abweichung davon ein persönliches Versagen. Vor allem Menschen mit einem niedrigen Selbstwertgefühl sind davon betroffen.

Ich weiß nicht wie es dir dabei geht, ich finde Menschen die ständig und immer gerade im Privaten perfekt sind anstrengend, und lassen mich manchmal auch ratlos zurück.

Ich war einmal auf einer Geburtstagsfeier, als die Gastgeberin auf unser Lob wie super der Zitronenkuchen schmeckt, antwortete den hätte sie auch 7 Mal (!!) probegebacken bis er endlich ihren Ansprüchen genügte. Ob sie die anderen Kuchen auch sooft ausprobiert hatte, traute sich dann schon keiner mehr zu fragen.

Gründe für Perfektionismus

Forschungen haben ergeben, dass in den letzten 30 Jahren der Hang zum Perfektionismus in den westlichen Industrienationen zugenommen hat. Ausschlaggebend dafür sind sicher zum einen die sozialen Medien die uns die Hochglanzbilder als Realität suggerieren. Beziehung, Beruf, Aussehen, Fitness…da geht noch was.

Hier lautet das unausgesprochene Credo: wenn ich es geschafft habe kannst du es auch, strenge dich an! 

In die gleiche Kerbe schlägt auch die Happy Kultur des Positiven Denkens die zu einer Grundforderung unseres Lebens geworden ist. Jedes Scheitern wird als Chance umgedeutet, besser zu werden, bloß nicht hinfallen und noch schlimmer liegen bleiben. Um in diesen Zustand erst gar nicht zu kommen hilft nur eines und das ist an der eigenen Performance zu arbeiten, und zwar immer. Beruflich wie privat. Das ist übrigens auch der gerade Weg in den Burn-out.

Ein anderer Grund für Perfektionismus ist, dass Leistung in unseren Herkunftsfamilien einen zentralen Wert darstellen. Daraus wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass sie nur über das Prinzip Leistung anerkannt und geliebt werden. Wenn ich etwas super gut hinbekomme werde ich geliebt, wenn es weniger perfekt ausfällt eben nicht. Oft ein fataler Trugschluss der ein ganzes Leben belasten kann.

Manchmal haben wir uns auch Ziele unrealistisch hochgesteckt, an denen wir uns dann gestresst abarbeiten oder erst gar nicht anfangen. 

Wie bekomme ich den Druck los alles perfekt machen zu müssen?

Hier hilft die Frage an dich selbst. Wer sagt denn wann etwas perfekt ist? Selten ist etwas objektiv perfekt, z.B. Buchhaltung kann entweder perfekt, also richtig oder eben falsch sein, oder eine Maschine läuft perfekt oder eben nicht.

Ansonsten gilt für fast alle Aufgaben die wir haben, oder uns selber stellen, das eigene Bewertungssystem. Und das hört sich dann selten nett und verständnisvoll an. Der innere Kritiker hat keine Pause und lässt uns das auch wissen. Bringst du jemand anderem genauso wenig Verständnis entgegen wie dir selbst? Wahrscheinlich eher nicht, oder?

Oft spielt auch der Gedanke gefallen zu wollen eine Rolle. Was denken die anderen über mich? Wie wirke ich? Was wenn meine Idee nicht gut rüberkommt?

Überlege dir mal was DU selber für ausreichend, wichtig oder schön genug hälst.

Sind es deine Erwartungen oder vielleicht die oft unausgesprochenen Erwartungen deiner Mitmenschen die dich unter Druck setzen? 

Da fällt mir doch gleich mein eigener Blog ein, du glaubst nicht wie lange ich an meinem ersten herumgebastelt habe, es ist mir nicht leicht gefallen ihn endlich ins Netz zu stellen, wohlwissend dass er nicht so flüssig geschrieben war wie er sein sollte. Alles ganz einfach, dauert ja auch nicht lange, mal eben locker runter geschrieben…. 

Nein, ist es eben nicht, und irgendwann beschloss ich dazu zu stehen und raus damit. Zu dem eigenen vermeintlichen Unperfektsein zu stehen ist ein Weg auf dem wir, glaube ich, alle noch wachsen können.

Einerseits ist es ja ganz gut Werte zu haben, andererseits kann das ewige Rumgegrübel ob etwas wirklich gut genug ist, auch ganz schön ausbremsen und nerven.

Hier hilft die Frage an uns selbst weiter, welche Auswirkung diese Situation in ein paar Wochen oder Monaten noch haben wird. Denkst du überhaupt noch daran? Ist es wirklich von so großer Bedeutung oder ist es schnell vergessen?