-Glück vs. Happy Kultur –
Wer wollte nicht glücklich sein? Sie ist zu einer Grundforderung des Alltags geworden, Glück als Geburtsrecht, quasi im Grundgesetz verankert. Das spiegelt sich auch in den schier unübersehbaren Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt zu diesem Thema wieder, eigentlich denkt man das alles zu diesem Thema schon gesagt sei- Fehlanzeige, die Ratgeberliteratur boomt ohne Ende. Auf social media findet man eine Glücksquelle, Glückskompass und auch ein Glücksgefühle Festival hilft uns endlich dem ganz großen Glück auf die Schliche zu kommen. Eine Heidelberger Schule hat Glück als Unterrichtsfach eingeführt und auch bei ERASMUS (Förderprogramm der Europäischen Union) gibt es sowieso schon seit längerem Glücksseminare zu buchen. Und wer es ganz genau wissen möchte macht eine Glückstrainer Ausbildung oder kauft sich die App „Happify“, deren Hersteller „effektive Funktionen und Programme, damit du dein emotionales Wohlbefinden kontrollieren kannst“ verspricht.
Da drängt sich natürlich die Frage auf, warum bei soviel gut gemeinten Ratschlägen unser ganzes Leben nicht ein einziger Glücksfall ist.
In diesem Blog möchte ich mit dir ein paar Gedanken teilen warum wir ständig dem großen Glück hinterherjagen, und dabei das Naheliegenste oft übersehen und was du selber zu deinem Glück beitragen kannst.
Glück als Massenware
Nicht zu allen Zeiten fragten die Menschen nach dem Glück, da es einfach keine Rolle spielte. Es ging schlicht ums Überleben und nicht ums glücklich sein. Es ist also ein gewisser Luxus sich darüber Gedanken machen zu können. Heute werden weniger materielle Dinge zur Schau gestellt, sondern wir investieren in den Anschein eins rundherum gelungenen, abwechslungsreichen und damit glücklichen Lebens, der auch als Indikator für ein erfolgreiches Leben gewertet wird. Und wer wollte das nicht gerne sein?
Die Grenzen von persönlichem Empfinden und Konsum sind unauflöslich miteinander verwoben, oder wie es Eva Illouz, Soziologien, formulierte „ökonomisches wird emotionalisiert und Emotionen werden materialisiert.“
In jedem Discounter sind Tees die uns glücklich machen, entspannen, mit Freude erfüllen, Duschbäder sollen nicht nur fein riechen und sauber machen, wir sollen durch sie frei werden und uns atemberaubend frisch fühlen, und glücklich sowieso. Wie fabelhaft!
Wir haben gelernt, dass wir ständig irgendwelche Produkte brauchen, damit wir uns wohlfühlen und es uns gut geht, Glück im Sonderangebot und Doppelpack. Die inflationäre Scheinanwesenheit von Glück verhindert es, wir erwarten nämlich, dass es „irgendwie“ von außen kommen muss und hält uns in der Warteschleife als Empfänger und nicht als Akteure unseres Lebens, gefangen.
4 Dinge die dich vom Glücklich sein abhalten
- Wenn es nicht rund läuft im Leben machen wir uns schnell den Vorwurf kein positives Mindset zu haben oder kommen auf den Gedanken, dass bei einem selber irgendetwas nicht stimmt. Bei den anderen scheint ja alles Bestens zu sein. „Läuft alles super bei mir, klar. Und bei dir so?“
Das normative Denken stresst auf Dauer unglaublich, denn es baut Druck nach innen und außen auf. Nein, man muss nicht jeden Tag zum „allerbesten seines Lebens“ hochstilisieren, es reicht die „ im- Großen- und- Ganzen- geht- es mir- gut- und – ich- bin- ganz -ok- Laune“, und ich muss auch nicht jedes Missgeschick als „die Chance meines Lebens“ begreifen um die Glücksfassade aufrecht zu halten. Glücklich sein, gewinnen, und immer gut performen müssen ist eine Sackgasse, die einfach nur stresst, innerlich wie äußerlich.
- Niederlagen, Trauriges, Unfertiges, Zerbrochenes, Ärgerliches, alle das vermeintlich Negative das wir nicht haben möchten ,gehört zu einem normalen Leben. Oft ist das eigentliche Problem unsere Einstellung dazu und das sofortige Weghaben wollen. Wir haben es verlernt auszuhalten, vergessen wie es ist, schlechte Nachrichten zu bekommen.
Jede Niederlage wird als Chance verkauft, wehe man arbeitet sich nicht zügig da raus. Jeder ist alleine für sein Scheitern verantwortlich. Früher konnte man für sein ungewolltes Schicksal Gott verantwortlich machen, damit ging nicht nur eine Schicksalsergebenheit und Demut einher, sondern es war auch entlastend, nicht für alles im Leben selbst verantwortlich zu sein. In einer säkularen Gesellschaft ist Verlieren und Unglücklich sein nicht mehr vorgesehen. Alles nur Mindset, es liegt an dir!
- Der ständige Soll-Ist-Vergleich auf dem Glücksbarometer lässt uns um uns selber kreisen, die Suche nach dem Glück im Dauerabo macht zuweilen auch engstirnig. Wir basteln an unserer Selbstoptimierung und übersehen dabei was wir an wunderbarem und Guten in unserem Leben schon haben. Wir übersehen was für ein Glück schon in unserem Leben ist, immer mehr es reicht nicht macht unzufrieden, es gibt immer jemanden der schöner reicher klüger etc. ist. Du kennst bestimmt den Gedanken „Wenn ich nur diese oder jenes erreicht habe, ja dann bin ich glücklich für den Rest meines Lebens, dann habe ich alles erreicht, dann geht es mir endlich gut.“ Nach einer Weile merkst du wie es langsam aber sicher zur Gewohnheit wird, das Glücksgefühl nimmt ab, bis der nicht mehr ganz so neue Zustand zum Alltag geworden ist und das Spiel beginnt von Neuem.
- Und da wäre noch die unbequeme Einsicht, dass nicht jeder alles erreichen kann und immer glücklich sein, wenn wir nur fest genug daran glauben. Und nein, nicht jeder ist seines Glückes Schmied. Es gibt Ungerechtigkeiten und Tragödien für die der einzelne nicht verantwortlich ist. Äußere Faktoren werden in der Logik der Machbarkeit von Glück komplett außer Acht gelassen. Wenn die Vorstellung von der Schaffung und Kontrollierbarkeit von Glück in unserer westlichen Welt funktionieren sollte, müsste sie es auch in den ärmsten Gegenden der Welt tun. Und das ist mehr als offensichtlich nicht der Fall. Es ist einfach nur zynisch so zu denken.
Was du für dein Glück tun kannst
Trotz aller Kommerzialisierung und medialem Dauerbeschuss zum Thema Glück, bleibt es eine Sehnsucht die jeder Mensch in sich trägt. Sie als Möglichkeit erkennen und die selbstgebastelten Denkblockaden in unserem Leben möglichst klein zu halten ist schon ein riesiger Schritt in die richtige Richtung.
Wieviel Glück kommt zusammen, wenn du deine ganzen Lebensglücke mal aufschreibst? Vieles was für uns selbstverständlich ist (sauberes Wasser, genügend Essen, ein schönes, sicheres zuhause, Bildung, freie Partnerwahl oder das man hingehen kann wohin man möchte) bleibt für Millionen Menschen auf der Welt ein unerreichter Traum.
Mach dich auf die Suche und halte bewusst Ausschau nach dem was dir Freude bereitet.
Auf der Suche nach dem großen Glück, übersehen wir nämlich leicht die vielen kleinen Glücke des Alltags, ein spontan frei gewordener Parkplatz in der überfüllten Stadt, ein Flirt an der Supermarktkasse, der Nachbar der das dringend erwartete Paket vom Postboten angenommen hat oder jemand verkauft noch eine Karte an der Theaterkasse, das prächtige Wetter auf der Gartenparty nachdem es eine Woche geregnet hat. Um Glück wahrzunehmen müssen wir unsere Sinne schärfen und unser Glücksradar anwerfen.
Sich Glück wünschen ist eine Sache, es bewusst in die Wirklichkeit holen eine andere. Das heißt, konkret ins Tun kommen, und es in die Tat umsetzen. Sich etwas wünschen und darauf hoffen, dass es vom Himmel fällt kann schon passieren, nur würde ich mich darauf lieben nicht verlassen.
Viele haben resigniert aufgegeben, es haben eh immer nur andere Glück im Leben, nur leider ich nicht. Müssen wir solche Sätze glauben? Nein! Diese gedanklichen Blockaden machen das Leben unnötig schwer und verhindern das Glück in unser Leben kommt, wir glauben nämlich nicht so recht daran. Und unser Verstand wird die Realität so hinbiegen, dass er Recht behält, bekannt auch unter dem Begriff, sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Meistens denken und grübeln wir den ganzen Tag so vor uns hin und erkennen unsere eingefahrenen Denkmuster nicht. Oft stehen wir uns nämlich selber im Weg, weil uns Angst davon abhält etwas zu beginnen oder wir etwas schlicht nicht für möglich halten. Es lohnt sich den Miesepetern die ständig unseren Verstand bevölkern auf die Schliche zu kommen.
Für jeden ist Glück etwas anders, der Philosoph Wilhelm Schmidt spricht von mehreren „Glücken“ die einem widerfahren können. Vom Zufallsglück, Wohlfühlglück, Glück der Fülle, und meint, dass die Frage nach dem Glück eigentlich eine Frage nach Sinn ist, den die Menschen suchen. Wenn wir unseren Sinn, bzw. eine sinnerfüllte Tätigkeit gefunden haben, sind wir im Glück, neudeutsch auch „Flow“.
Was bedeutet Glück für dich? Wann warst du es das letzte Mal?